Manchmal scheint es, als stülpten wir die Erde um - wir holen Gestein aus ihrem Innern, um ihr Äußeres damit zu verkleiden.
Ich sitze auf dem kleinen Vorplatz der St. Andreaskirche in Schlutup und frage mich, was hinter diesen ordentlich in Reihe und Glied gelegten grauen Vierecken liegt. Was unter ihnen liegt, was an ihrer Stelle lag und wuchs, woher sie kommen und wohin sie gehen werden, wenn wir Menschen einmal aufhören, auf ihnen zu gehen, sitzen, stehen, Pause zu machen, uns zu unterhalten, singen, in die Kirche gehen.
In ihrer Erinnerung ist es weniger als ein Augenblick, den sie hier am Sonnenlicht verbracht haben. Wer hat sie berührt? Die Menschen, die sie aus der Erde geschlagen haben! Mit der Hand? Mit Maschinen? Am Computer sitzend? Die Entscheidung treffend, dass dieser Stein genau dort abzubauen sei, dass die Steine genauso und nicht anders angeordnet werden.
Die Menschen, die die Steine verlegten, genauso wie sie jetzt dort liegen – einzeln mit der Hand. Verschiedenfarbige Steine – sie bilden Symbole: einen Fisch, ein Andreaskreuz. Christliche Symbole. Der Fisch symbolisiert Jesus Christus, das Kreuz steht für den Apostel Andreas. Das sind andere Geschichten, die die Steine erzählen ...
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Was lag über den Steinen vor dieser Entscheidung, sie abzubauen, zu bearbeiten, zu transportieren, zu verkaufen und zu verlegen? Ein Wald? Eine Wüste? Ich könnte es nachgucken, tue es aber nicht. Ich habe andere Dinge vor, die mir wichtiger erscheinen, denn wenn man einmal anfängt zu fragen wo etwas herkommt, das wir für gegeben nehmen, warum es gerade hier ist, und warum genau dieses Ding oder Material oder dieser Stein, dann kommt man ja zu nichts.
Und man hört vielleicht Dinge, die man nicht hören will.
Wer hat die Steine berührt seit sie hier liegen? Zählen Schuhsohlen? Hat sie jemand begrüßt, sich bedankt für den Platz, den sie spenden, den Halt für die Bänke? Sich beschwert über das Klackern der Absätze, wo doch Asphalt so viel bequemer wäre?
Steine erzählen ihre Geschichten unerhört. Geschichten von Menschen, die auf den Bänken saßen und sich unterhielten. Über düt un dat, Gott und die Welt, von Tieren, die über den Friedhof huschen auf der Suche nach Nahrung und Schutz für die Nacht. Von Löwenzahn und Gras, die sich unermüdlich ihren Weg zwischen den Steinen hindurch ans Sonnenlicht bahnen. Von manchem Papierfetzen, von Taschentüchern, die aus Jackentaschen heraushüpfen.
Sie erzählen von Menschen, die ihre Toten besuchen, die den Weg entlang gehen – wohin auch immer.