Im Folgenden geht es um jene Handwerker, die den Skulpturen und Altaraufsätzen ihr überirdisches Leuchten verliehen und mit Goldblattauflagen die Szenen der bunten Tafelbilder reichen Glanz verliehen: die Vergolder. Ihre Tätigkeit und ihr Erfahrungswissen steht im Mittelpunkt dieser Vertiegung.
Zu dieser Vertiefung gibt es eine Broschüre, in der Sie die Vergoldertechnik anhand von Werkstücken in Dorf- und Stadtkirchen der Nordkirche ausführlich beschrieben finden Werktechniken in Geschichte und Gegenwart. Teil 2, Vergoldung und Verzierungstechniken.
Ein besonderer Genuss: Sie können sich die Präsentation (PDF) auch vorlesen lassen. Prüfen Sie Ihre PDF-App (PC, Smartphone,Tablet) auf eine entsprechende Vorlesefunktion.
Die Farbe der mittelalterlichen Retabel ist gleichsam ihre Haut. Sie prägt den Gesamteindruck des Werkes entscheidend. Ohne Farbe und ohne das Blattgold hätte ein mittelalterlicher Gläubiger mit den Holzfiguren kaum etwas anzufangen gewusst. Erst das Gold und die Farben machen die dargestellten Heiligen zu dem was sie sein sollten: Zeugen der Gegenwart Gottes in der Welt. In dieser Vertiefung geht es um diejenigen Handwerker, die mit ihrer Hände Arbeit diesen Eindruck erzeugen: Die Vergolder oder auch "berder" (Bereiter) genannt. Sie gehörten zu den Spezialhandwerkern. Ihre Aufgabe war es hauptsächliche religiöse Kunst für Kirchen und Privathaushalte zu gestalten.
Spätere Jahrhunderte haben die mittelalterlichen Werke nach ihrem eigenen Schönheitsempfinden umgestaltet und ihnen ihre neuen Glaubensinhalte eingeprägt. Die alten Handwerkstechniken jedoch sind über die Jahrhunderte hinweg gleichgeblieben. Daher können wir aus Beobachtungen an den mittelalterlichen Werkstücken und im Blick auf noch heute lebendige Handwerkstraditionen einen Einblick in die mittelalterlichen Handwerkstechnik der Vergoldung bekommen.
Im Mittelalter wurde das Vergolderhandwerk in den Werkstätten der Fassmaler ausgeübt. Diese veredelten die Oberflächen der Holzskulpturen durch Malerei und Metallauflagen. Ihr Handwerk erlernten sie durch langjährige Tätigkeit in einer von einem Meister geführten Werkstatt. Als Lehrlinge, Gesellen oder beauftragte Mitarbeiter wurden sie in der Praxis mit den Materialien und Techniken vertraut gemacht. Dabei übernahmen sie die in der Werkstatt vorhandenen Traditionen, etwa das Wissen über Mischungsverhältnisse, Zusatzstoffe sowie Kenntnisse im Umgang mit den Werkzeugen zum Beispiel bei der Zubereitung von Kreidegründen.
An den mittelalterlichen Skulpturen ist oft schon mit dem bloßen Auge zu sehen, dass die Farben und die Vergoldungen in einer dircken Schicht auf dem Holz aufgetragen sind. Die große Schichtdicke rührt von der Grundierung her, die direkt auf dem Holzgrund liegt. In den Gebieten nördlich der Alpen besteht diese Grundierung aus einer Mischung aus Leim und Kreide. Daher spricht man auch von einem Kreidegrund. Die Herstellung und Verarbeitung des Kreidegrundes war eine der wichtigsten Tätigkeiten sowohl bei der Bemalung der Holzoberflächen als auch bei der Vergoldung.
Der Kreidegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Stoffen: Kreide und Leim. Leim ist ein wasserlösliches Bindemitteln, das seit Jahrtausenden in der Malerei eingesetzt wird. Er verbindet die losen Kreidepartikel zu einer homogenen, verstreichbaren Masse.
Chemisch gesehen ist Leim ein Gemisch aus tierischen Proteinen (Eiweißstoffe). Er wird durch das Auskochen von tierischen Knochen, Haut und Fell gewonnen. Leim ist also ein Abfallprodukt der Tierverarbeitung. Es gibt Knochenleim, Hautleim, Hasenleim oder auch Fischleim in unterschiedlichen Qualitäten.
Proteine können wasserlösliche, gallertartige Massen bilden. Diese besitzen Festigkeit aber gleichzeitig auch eine gewisse Flexibilität. Das macht man sich zum Beispiel bei der Herstellung von Torten und Süßspeisen aus Gelatine zu Nutze. Für den Kreidegrund ist diese Flexibilität besonders wichtig: Er muss die Bewegung des Holzes bei Schwankungen der Luftfeuchtigkeit abpuffern können. Darüber hinaus ermöglicht die flexible Festigkeit des Kreidegrundes das Polieren der Goldoberfläche sowie die Verzierung mit Punzierungen.
In dem Flügelretabel der St. Georgskirche in Eixen, Landkreis Vorpommern-Rügen, fehlt unten rechts eine Figur. An der Fehlstelle ist der Aufbau einer Vergoldung gut zu erkennen. Der Kreidegrund war ursprünglich auf der gesamten Rückwand des Retabels aufgebracht. Auf dem weißen Kreidegrund liegt eine Schicht roter Tonerde (Bolus) - allerdings nur an den Stellen, die später auch vergoldet werden sollten. Darüber liegt das Blattgold.
Auf den Bolus wurde ein Netzmittel aufgebracht, das das Anhaften des Blattgoldes auf dem Untergrund ermöglichte.
Lust auf einen Ausflug? Über die schöne St. Georgskirche in Eixen und ihre beeindruckende Ausstattung erfahren Sie hier mehr.
Das hauchdünn ausgeschlagene Blattgold wurde im Mittelalter — und wird auch heute noch — in Heftchen verkauft. Blatt für Blatt ist das kostbare Metall verpackt. Mittels eines flachen Vergoldermessers werden die Blätter einzeln aus dem Heft herausgenommen. Hierbei muss die Vergolderin sehr aufmerksam sein: Das feine Blättchen würde im Kontakt mit sich selbst sofort 'verkleben'. Es wird daher geschickt und zügig über das breite Vergoldermesser und auf das Vergolderkissen gelegt. Der Luftzug, der bei der Bewegung entsteht, sollte diesen Vorgang unterstützen.
Das möglichst knitterfreie Auflegen des Blattgoldes ist eine der großen Herausforderungen im Vergolderhandwerk.
Das Polieren ist eine geradezu „befriedigende“ Tätigkeit. Es ist ein wenig wie Bügeln: Was zuvor knittrig und unansehnlich auf dem Arbeitstisch lag, wird nun nach und nach glatt und schön. Durch den Druck des Polierwerkezeuges auf die Oberfläche wird diese verdichtet. Das Licht wird nun stärker reflektiert und lässt das Gold intensiver strahlen.
Als Polierwerkzeuge finden Achate in unterschiedlicher Größe, Dicke und Krümmung Anwendung. Achat ist ein Halbedelstein und war im Mittelalter als Schmuckstein bekannt. Außer Achat verwendeten Vergolder in mittelalterlicher Zeit auch die Zähne von Ebern zum Polieren.
Möchten Sie mehr erfahren über die Technik der Polimentvergoldung? Hier können Sie sich das Kapitel Vergoldung der Broschüre Werktechniken in Geschichte und Gegenwart. Bildschnitzerei - Vergoldung - Verzierungstechniken herunterladen.
Eine vollständig vergoldete Oberfläche braucht Akzente um für die Augen interessant und lesbar zu sein. Die Vergolder haben sich über die Jahrhunderte hinweg unterschiedlichste Techniken und Muster einfallen lassen um die Goldoberfläche zu strukturieren und zu beleben. Einige dieser Techniken werden im Folgenden beschreiben.
Sie können sich das vollständige Kapitel Verzierungstechniken aus der Broschüre Werktechniken in Geschichte und Gegenwart. Bildschnitzerei - Vergoldung - Verzierungstechniken herunterladen.
Die Verwendung von Blattgoldauflagen war in der mittelalterlichen Kunst nicht auf die Vergoldung von Skulpturen beschränkt. Blattgoldauflagen sind bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts hinein auch für die Tafelmalerei ein wichtiges Gestaltungsmittel. Blattgold wurde für die Darstellung verschiedener Gegenstände wie Heiligenscheine, kostbare Metallgegenstände (Kelche, Teller), Kronen, für kostbare Gewänder und für die Darstellung des Himmels verwendet. Die Blattgoldauflagen wurden mit Gravuren und Punzierungen fein strukturiert, lasiert oder mit schwarzer Farbe konturiert.
Eine der geläufigsten Verzierungstechniken von Goldoberflächen ist das Punzieren. Hierbei werden mittels kleiner Metallstempel Muster in die Goldoberfläche hinein gedrückt. Das Punzieren findet vor allem auf großen Flächen Anwendung, so etwa bei der Gestaltung der Hintergründe der Retabel und bei den Heiligenscheinen. Beim Punzieren wird die wie massives Gold wirkende Blattgoldauflage durch Muster gebrochen und belebt.
Punzen gibt es in unterschiedlichen Formen und Größen. In mittelalterlicher Zeit wurden sie im Auftrag der Handwerksmeister geschmiedet. Das bedeutet, dass eine Werkstatt über einen bestimmten Fundus an Punzen verfügte. Mit ihnen arbeiteten sämtliche Werkstattmitarbeiter ob Meister oder Geselle. So konnten aufgrund der verwendeten Punzen zum Beispiel das Teterower Retabel und das Retabel der Riemer und Beutler in der Nikolaikirche in Stralsund einer Werkstatt zugeordnet werden.
Punzen sind Metallstifte, deren Köpfe unterschiedlich geformt sein können. Charakteristisch ist die Punktpunze. Sie kann aus einem handelsüblichen Nagel durch Abschleifen der Spitze angefertigt werden. Ihr Kopfdurchmesser variiert stark.
Die Punzen müssen sehr achtsam in den empfindlichen Goldgrund hineingedrückt werden. Die geschlossene Oberfläche darf auf keinen Fall brechen. Der Kreidegrund, auf den die Polimentvergoldung aufgebracht worden ist, ist ein flexibler Untergrund. Er gibt dem Druck der Punze nach.
Das Gold kann diesem Druck ebenfalls nachgeben, so dass sich die charakteristischen Vertiefungen bilden. Je nach Lichteinfall können die Formen auch erhaben wirken.
Das Punzieren ist eine Technik, die aus dem Goldschmiedehandwerk kommt. Die runden Vertiefungen bewirkten durch das Spiel von Licht und Schatten eine Strukturierung und Belebung der Oberfläche.
In der spätmittelalterlichen Tafelmalerei war die Imitation von kostbaren Textilstoffen sehr beliebt. Goldbrokat und Seidengewänder zeichneten die Personen aus, die sie trugen. Vor allem die Darstellung von Goldbrokat spielte eine bedeutende Rolle. Hierfür wurde Blattgold verwendet.
An dem Bildausschnitt ist gut sichtbar, dass der Maler der Malchiner Tafelbilder die Webstruktur des Brokatstoffs durch eine parallele Riefelung des Kreidegrundes imitierte, auf die später das Blattgold gelegt wurde. Über der Blattgoldauflage liegt eine rote Lüsterfassung.
Für die norddeutsche Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts ist die Imitation von Oberflächenstrukturen mit Hilfe des Modellierung des Kreidegrunde typisch. In der zeitgleichen niederländischen Malerei wurden Stoffimitationen dagegen allein mit Farbe erzeugt. Die dort verbreitete Ölmalerei erlaubte eine transparente Malweise, in der Schicht für Schicht täuschend echt wirkende Oberflächen aufgebaut werden konnten.
Bei einer Lüsterung wird mit dem Pinsel ein transparenter Lack auf die polierte Blattgoldoberfläche aufgetragen. Es eignen sich nur wenige Farbstoffe als Lüsterlacke. Einer der wichtigsten Lacke ist der rote Krapplack. Er wird seit jahrtausenden aus der Pflanze Färberkrapp hergestellt und in der Malerei verwendet.
Die Einstellung des Lackes, das heißt das Verhältnis zwischen den einzelnen Bestandteilen zueinander, liegt in der Hand der Vergolderin. Sie erfordert viel Materialkenntnis und Erfahrung.
Die Lüsterfarbe wird freihändig oder mit Hilfe einer Schablone auf die Goldoberfläche aufgetragen. Das Bindemittel muss so eingestellt sein, dass der Lack vermalbar bleibt, bis die Farboberfläche vollständig geschlossen ist. Die Schwierigkeit einer Lüsterung liegt im gleichmäßigen Farbauftrag. Die Farbintensität einer Lüsterung wird über die Schichtdicke des Lackauftrags reguliert.
Häufig sind in der spätmittelalterlichen Tafelmalerei schwarze Konturen auf den vergoldeten Flächen zu finden. Sie strukturieren die leuchtende Oberfläche und erleichtern den Betrachtern die Lesbarkeit des Bildes. In dem hier ausgewählten Bild (St. Georgskirche, Eixen, Landkreis Vorpommern-Rügen) trennt der schwarze Strich die Krone der Heiligen Dorothea von dem sie umgebenden Heiligenschein.
Als schwarze Farbe verwendete man etwa Beinschwarz (verkohlte Tierknochen) oder Lampenruß.
Die mittelalterliche Fassmalerei ist sehr zart und kleinteilig. Wie viele Details waren aus der Entfernung vom Standort der Gläubigen bis hinauf zu den Skulpturen und Tafelbildern sichtbar? Was die Gläubigen im Mittelalter von diesen köstlichen Malereien auf den Flügelretabeln tatsächlich sehen konnten, wissen wir nicht. Vielleicht war es auch nicht wichtig, denn das Bild, die Geschichte selbst war ein Zeichen der Anwesenheit der Heiligen.
Möchten Sie mehr erfahren über die Verzierungstechniken der Polimentvergoldung? Hier können Sie sich das Kapitel Verzierungstechniken aus der Broschüre Werktechniken in Geschichte und Gegenwart. Bildschnitzerei - Vergoldung - Verzierungstechniken der herunterladen.
Hier finden Sie die gesamte Broschüre Werktechniken in Geschichte und Gegenwart. Bildschnitzerei - Vergoldung - Verzierungstechniken zum Nachlesen oder vorlesen lassen.