Die Arbeit der Maler und Vergolder begann, wenn die Bildschnitzer und Kontormacher (Tischler) mit ihrer Arbeit fertig waren. Sie gingen nun daran, die geschnitzten Heiligenfiguren im wahresten Sinne des Wortes 'zu bekleiden', ihnen ihre 'Haut' zu geben, ihnen ein Gesicht zu verleihen. Das Holz war lediglich der Bildträger. Er besaß nach mittelalterlichem Verständnis keinen eigenen ästhetischen Wert.
An dieser Stellen erhalten Sie einen kurzen Einblick in das Handwerk der Vergolder. Eine Vertiefung dieses Einblick finden Sie hier: Werktechniken in Geschichte und Gegenwart - Vergoldung - Verzierungstechniken.
Zunächst wurde eine dicke weiße Grundierung auf das Holz aufgetragen. Darauf wurden dann zuerst die Vergoldung und schließlich die Farbe aufgetragen. Gold und Farbe verwandelten das vergängliche Naturmaterial Holz in die zeitlosen Träger der göttlichen Botschaft: Christus, Maria und die vielen anderen Heiligen aus den biblischen Geschichten und den Heiligenlegenden.
Maler und Vergolder arbeiteten in einer Werkstatt. Ihre Tätigkeit bei der Herstellung einer Heiligenfigur bzw. eines Flügelretabels wird "fassen" genannt. Sie geben den Figuren ihre – Fassung. Auch heute noch gibt es den Ausbildungsgang Vergolder*in und Fassmaler*in.
Wie die Arbeit in den einzelnen Werkstätten organisiert war, ist heute meist nicht mehr bekannt. Es ist möglich, dass eine Person vergoldete und bemalte. Es ist aber auch möglich, dass in größeren Werkstätten mehrere Mitarbeiter einzelne Arbeitsschritte durchführten. So ist zum Beispiel die Tätigkeit des bereders (Bereiter) bekannt, der den Kreidegrund für die Vergoldung vorbereitete und auftrug.
Die Arbeit des bereders ist eigentlich nicht sichtbar. Der mühevoll in zahlreichen dünnen Schichten aufgetragene Kreidegrund verschwindet vollständig unter den erzählfreudigen Bildern der Sonntagsansichten und der kostbaren Vergoldung der Festtagsseiten.
Jeder Zentimeter der großen Flügelretabel, jedes Detail einer Heiligenfigur war mit Kreidegrund überzogen.
Dort, wo die Oberfläche der Werkstücke verletzt und ihre Fassung nicht mehr intakt ist, dort können wir den unbekannten mittelalterlichen Handwerkern 'auf die Finger schauen'. Hier wird es spannend, denn wir sehen direkt auf die weißen Schichten des Kreidegrundes und auf die eigentlich verborgene Schnitzarbeit.
Die Abbruchkanten der Fassungen werden heute allerdings von Restauratoren versäubert und farblich angeglichen. Zum einen, um die Fassungen an diesen empfindlichen Stellen zu sichern und zum anderen damit das Weiß des Kreidegrundes nicht störend hervorblitzt und unsere Augen von der Form der Figuren ablenkt.
In der mittelalterlichen Malerei hat das Gold symbolische Bedeutung. Es steht für das göttliche Licht. Vergoldet wurden die Heiligenscheine der gemalten Figuren, ihre kostbaren Gewänder, einzelne Gegenstände sowie die Hintergründe der Festtagsansichten der Flügelretabel. Die Goldoberfläche wurde mit Punzen und Gravuren verziert, um die Kostbarkeit des Dargestellten zu erhöhen.
Mittelalterliche Malerei ist auf das erzählerische Detail angelegt. Es spielt keine Rolle, ob die Kirchenbesucher*innen diese Details aus der Entfernung erkennen konnten oder nicht. In den Bildern waren die Heiligen präsent und damit die göttliche Botschaft. Das war wichtig.
Für uns sind die mit großem handwerklichen Können ausgeführten Tafelbilder und Skulpturenfassungen ein echter Augenschmaus.
Über die Verzierungstechniken Punzieren und Gravieren erfahren Sie mehr in Vertiefung 4 Werktechniken in Geschichte und Gegenwart - Vergoldung.
Das Vergolderhandwerk ist Jahrhunderte alt. Generationen von Vergolder*innen gaben ihre Kenntnisse an ihre Lehrlinge und Gesellen weiter. Sie experimentierten mit neuen Rezepturen und Materialien und gaben auch diese, wenn sie sich bewährt hatten, weiter. So ist es auch noch heute.
Theoretische Kenntnisse über chemische und physikalische Eigenschaften der verwendeten Materialien und ihre Wechselwirkungen mit anderen Arbeitsstoffen sind in der Ausbildung der modernen Vergolder*innen von großer Bedeutung. Jedoch steht über der Theorie immer die Praxis: Das präzise Gravieren des Musters in den Kreidegrund, das Auflegen der hauchdünnen Goldblätter, das Polieren der Goldoberfläche, das Auftragen des Krapplacks auf die polierte Goldoberfläche - diese Tätigkeiten lassen sich nur in der Ausübung nach und nach erlernen und beherrschen.
Über die Technik der Vergoldung erfahren Sie mehr in Vertiefung 4 Werktechniken in Geschichte und Gegenwart - Vergoldung.
Zwischen den beiden ober- und unterhalb dieses Textes abgebildeten Tafelbildern liegen gut achtzig Jahre. In dieser Zeit hatte sich die Malerei verändert: Statt eines Goldgrundes und prächtig verzierten Heiligenscheinen breitet sich eine Landschaft im Hintergrund aus. Die biblischen Szenen und Heiligenfiguren wurden nun in eine natürliche Umgebung gesetzt. Gebäude und Gegenstände entstammen dem alltäglichen Leben. Die Maler spiegelten in ihren Bildern Beobachtungen der Natur wider, wie zum Beispiel die sogenannte Luftperspektive: das Verblauen der Landschaft zum Horizont hin.
Maler waren damals Handwerker, die für ihre Bilder Vorlagen nutzten und bei der Darstellung von Figuren, Perlen oder Textilien mehr oder weniger gekonnt Regeln befolgten. Sie wussten, in welchen Partien und welcher Abfolge die hellen und dunklen Farbtöne zu setzen waren, um einen plastischen Eindruck zu erzeugen. Als Künstler verstanden sie sich nicht. Ihre Aufgabe war es, ein Motiv darzustellen, das eine bestimmte Botschaft transportierte und von allen Betrachter*innen verstanden wurde.
Doch auch beim Befolgen der Regeln ist die individuelle Handschrift immer erkennbar - und der Blick, der die Hand führte. Die Meister und Gesellen sind heute in den meisten Fällen namenlos - aber die Spur ihrer Hände hat sich erhalten.
Nach dem Mittelalter verlor das Gold bei der Verzierung von kirchlichen Ausstattungsstücken wie zum Beispiel den Altaraufsätzen an Bedeutung. In den nachfolgenden Epochen Renaissance und Barock wollte man vor allem weißen oder buntfarbigen Marmor imitieren. Nun hatten die Maler die Aufgabe, die Architekturen und Figuren so zu bemalen, als seien sie aus kostbarem Marmor gehauen und nicht aus Holz schnitzt. Mit großem handwerklichen Geschick entstanden so an manchen Werkstücken Fassungen, die Marmor täuschend echt imitieren. Gold wurde meist zur Akzentuierung eingesetzt.
Die Arbeit der Maler wurde aber auch nach der Einführung der Reformation benötigt. Die Reformatoren hatten die Heiligenbilder in den Kirchenräumen zum Teil scharf kritisiert. Doch sollten Bilder an Altaraufsätzen, Kanzeln, Emporen etc. weiterhin geduldet werden, wenn sie biblische Ereignisse nacherzählten. Bilder dienten nun ausschließlich der Belehrung und religiösen Erbauung der Kirchenbesucher*innen.
Mit der Einführung der Reformation veränderte sich die Innenausstattung der Kirchen. Als einer der ersten Schritte zur Umgestaltung wurden die Sockel (Predella) der Flügelretabel mit einer Abendmahlszene übermalt.
Im Stil der jeweiligen Zeit schufen die Maler einfache oder auch kunstfertige Darstellungen dieses für das Christentum zentralen Geschehens. Entscheidend war nicht die Qualität der Malerei, sondern die religiöse Aussage dieser biblischen Szene.
Zum Abendmahl erfahren Sie mehr in Mobiliar des Glaubens und in der Vertiefung Ansichten im Wandel. Die mittelalterlichen Flügelretabel.